Malerei – Installation
und
Vermittlung der Kunst und Ästhetik Japans

‚Neue Sichtweisen auf Alltägliches‘

Einführende Worte von Lydia Brüll anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Erbsenzähler“ am 6. Oktober 2012

Herzlich willkommen liebe Freunde und Gäste meines Kunstateliers. Ich freue mich, Ihnen heute einen jungen, viel versprechenden Künstler, Herrn Oliver Steinmann aus Berlin, vorstellen zu können.

Herr Steinmann studierte an der Kunstakademie Münster bei Professor Henk Visch und war Meisterschüler von Professor Lily Fischer. Nach seinem Examen nahm er das Erasmus Stipendium an der Ècole supérieure des beaux arts in Montpellier wahr. Heute lebt und arbeitet Herr Steinmann in Berlin.

Bei unseren Vorbereitungsgesprächen für diese Ausstellung in Münster und Berlin lernte ich den Künstler Steinmann näher kennen. Er beeindruckt durch seinen Einfallsreichtum, seine Zielstrebigkeit und durch die Selbstverständlichkeit seiner künstlerischen Gestaltung.

Steinmann ist ein Querdenker im besten Sinne des Wortes. Ich weiß, für viele macht Querdenken keinen Sinn. Ja, sie scheuen davor zurück, fühlen sich unwohl, wenn sie selbst oder andere nicht mit dem mainstream schwimmen. Nur nichts hinterfragen, nur nicht etwas für selbstverständlich Gehaltenes problematisch werden lassen.

Aber für Künstler ist thematisieren und problematisieren zu können die Bedingung, um etwas Neues zu kreieren. Wir können also Künstler durchaus als ‚Beispielgeber‘ für das Querdenken nehmen. Es ist auch im Alltagsleben sehr hilfreich, öfter einmal quer zu denken, etwas gegen den Strich zu bürsten. Querdenken bedeutet ja nichts anderes, als die Richtung zu wechseln und aus einem anderen Blickwinkel die Dinge zu sehen. Wer quer denkt treibt noch lange nicht quer. Vielmehr kann sein Querdenken dem Aufbruch und der Erneuerung dienen.

Bereits die Titel einiger der bisherigen Ausstellungen von Steinmann lassen ahnen, worum es Steinmann in seinem künstlerischen Schaffen vor allem geht: ‚this must be the case‘ (2007), ‚Gerstern, Heute und die Tage danach‘ (2010), ‚schräg geradeaus vorne links‘ (2012) oder der Titel dieser Ausstellung ‚Erbsenzähler‘.

Diese Ausstellung zeigt eine konzentrierte Auswahl von Objekten und Bildern des Künstlers. Auch dieses Mal bin ich meinem Ausstellungs-Motto ‚weniger ist mehr‘ treu geblieben und Herr Steinmann hat sich voll darauf eingelassen. Dafür und für die mich persönlich bereichernde Zusammenarbeit möchte ich dir herzlich danken.

Jeder muss, wenn er anfängt als Künstler zu arbeiten, seine Mittel finden. Pinsel und Farbe sind es bei Steinmann nicht. Er fand sein Metier in der Objektkunst. Die Objektkunst zählt zu den wesentlichen Neuerungen der Moderne und sie weist eine Vielzahl von Tendenzen auf. Von Objektkunst spricht man deshalb, weil der Künstler einen realen Gegenstand zum Kunstobjekt erhebt. Aber auch Situationen, Handlungen können mit Hilfe von Objekten ins Bild gesetzt werden. Alltägliches gelangt gewissermaßen als Fundstück in das Kunstwerk. Etwas, das andere nicht sehen oder für uninteressant halten und daher auch nicht hinterfragen. Anders verhält es sich bei einem Objektkünstler. Unter Loslösung von ihrem eigentlichen Verwendungszweck funktioniert er Alltagsgegenstände, -situationen und -handlungen zum Kunstwerk um.

Eine Tomate ist eine Tomate, ein Rosenkohl ist ein Rosenkohl – oder eher nicht? Und was ist ein Schrein für einen Rosenkohl oder eine Tomate? Einen Hund ausführen ist einen Hund ausführen – oder eher nicht? Und was steckt hinter „trivialen Insekten“?

„Ich habe eine besondere Freude am Prozess der Entstehung. Bereits vor Beginn meines Studiums an der Kunstakademie begann ich meine Zeichnungen und Bilder spielerisch mit plastischen Elementen zu versehen. Aus den so entstandenen Reliefs entwickelte ich zunehmend sonderbare figürliche Objekte aus den verschiedensten Materialien,“ so der Künstler.

Der kreative Prozess bei der Gestaltung richtet sich also auf die Auswahl und die Zusammenstellung der Objekte. Unerwartete Kombinationen oder kleine Verfremdungen geben ihnen neue Inhalte mit dem Ziel vielschichtige Assoziationsfelder wachzurufen. Von Steinmanns Objekten und Bildern geht eine spannende und erfrischende Wirkung, aber auch Irritation aus. Sie sind auf das Wesentliche reduziert. Das sieht zunächst wie die Reduktion auf ein minimales Objekt- oder Bildvokabular aus. Aber bei längerem Verweilen vor seinen Arbeiten entfaltet sich ihre Doppelbödigkeit. Uns wird klar, dass die Dinge nicht das sind, was sie scheinen, sondern dass sie wandelbar sind, unter ihrer Oberfläche eine überraschung steckt. Steinmann entlockt ihnen neue Sinnebenen.

Steinmanns Exponate sind anspielungsreich, sie sind ernst und humorvoll zugleich. Sie zaubern auf das Gesicht des Betrachters oft ein Schmunzeln, ein verstehendes Augenzwinkern. Die Exponate wollen jedoch mehr sein als bloße Unterhaltung. In ihrer scheinbareren Leichtigkeit wollen sie beim Betrachter Emotionen erwecken, sie wollen bewegen. Kunst soll zur Kommunikation und zu neuen Sichtweisen anregen, das ist nämlich der Sinn des Querdenkens eines Künstlers.

Die Interpretation seiner Werke lässt Steinmann offen. Denn er weiß, dass es für ihn als Gestalter seiner Werke kein definiertes Ende gibt im Sinne von „Ich hab’s, das ist es exakt, endgültig und unverrückbar“. Immer wieder stößt ein Künstler an seine Grenzen, tun sich nach „Fertigstellung“ eines Werkes neue Dimensionen, neue Fragen, neue Wege der Umsetzung seiner Ideen auf. Das ist auch der Grund, warum ein Künstler wiederholt ein und dasselbe Thema bearbeitet, variiert. Dies finden wir in allen Künsten, in der Musik, Literatur, Malerei usw. Der Künstler weiß auch, dass die Betrachter seiner Exponate keine gleich getaktete Wahrnehmung haben, sondern über unterschiedliche visuelle und intellektuelle Fähigkeiten verfügen. Das macht ja gerade die Kommunikation zwischen Künstler, Kunstwerk und Betrachter so vielseitig, vielschichtig und interessant. Erst in dieser Kommunikation wird das Kunstwerk lebendig, zum greifen nah und in diesem emotionalen und intellektuellen begreifenden Prozess liegt die Bereicherung durch die Kunst.

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