Malerei – Installation
und
Vermittlung der Kunst und Ästhetik Japans

‚In der Ferne die Möwen’

Einführende Worte von Lydia Brüll anlässlich der Eröffnung der Ausstellung von Sven Henric Olde

Liebe Freunde der Kunst ich begrüße Sie herzlich. Es freut mich, Ihnen den noch jungen Künstler Herrn Sven Henric Olde mit seinen Werken vorzustellen und mit Ihnen allen gemeinsam einen interessanten Kunstabend erleben zu dürfen.

Bei den vorbereitenden Arbeiten zu dieser Ausstellung stellte ich erneut zu meiner großen Freude fest, dass die Zusammenarbeit mit jungen KünstlernInnen etwas ganz Besonderes und äußerst bereichernd ist. Gerade ihnen war und bin ich dankbar, dass sie mir ihre Sichtweisen auf Themen, die sie wählen, mit ihrer künstlerischen Gestaltung vermitteln. Es gibt Aufschluss über das, was junge Menschen bewegt und wie sie versuchen, es mit dem Medium Kunst auszudrücken. Mit der jüngeren Generation in regem Austausch zu sein, lässt uns neugierig bleiben, bringt uns auf neue Spuren, bewahrt uns davor in Konventionen zu erstarren.

Ich erinnere mich, dass ich die Begabungen von Sven Henric Olde – nämlich das Malen und die Graphik einerseits, das Erzählen/Schreiben und die Objektgestaltung andererseits – nach und nach in eben dieser Reihenfolge – kennen lernte. Was sich im Nachhinein für mich als äußerst vorteilhaft erweisen sollte. Der Künstler und ich sind in den letzten Monaten ein Stück des Weges gemeinsam gegangen. In unseren Gesprächen diskutierten wir nicht nur über sein Kunstverständnis, sondern auch über das reale Leben. Lieber Sven für diese Gespräche und für die gute Zusammenarbeit möchte ich dir herzlich danken.

Mein erstes Vergnügen – Seine Bilder zu betrachten

Die Bilder des Künstlers sind abstrakt gestaltet – er verwendet die bildnerischen Gestaltungsmittel losgelöst von Natur und realen Gegenständen. Er gestaltet aus der Kombination von spontaner Malgeste und unverfälschtem Ausdruck des Selbst. In seiner malerischen Handschrift vermischen sich Farbe, Linie, Zeichnungen, Schrift meist auf weißem Malgrund. Manchmal sparsam, manchmal in großer Geste ausgeführt. Aber immer leicht, als ob Farbe und Chiffren wie zufällig über den Malgrund fliegen und sich in unaufhörlicher Bewegung befinden. Es sind Notate aus seiner Welt, die uns einen anschaulichen Zustand vermitteln, wobei bei ihm das Ganze einen Vorrang vor den Teilen besitzt. Unser schweifendes Auge orientiert sich oft an flüchtigen Brennpunkten wie Farbspritzer, Farbkleckse und Chiffren. Plötzlich scheinen sich Punkte auszudehnen, Striche sich zu vervielfachen, an- und abzuschwellen, sich Räume und Zwischenräume aufzutun.

In seinem Text „Linien“ schildert der Künstler den malerischen Prozess so:

Der erste Strich vermehrt sich mit verlaufender Zeit.
Der Zeiger läuft übers Ziffernblatt.
Der Stift läuft übers Blatt.

Der Strich wird zu Strichen.
Die Striche werden zu Flächen.
Die Fläche wird zu Raum
Und Raum wird zu Zwischenraum.

Diese ungemein persönlichen und mich sehr ansprechenden Bilder sind für verschiedene Interpretationen offen. Jeder Mensch hat seine eigenen Vorstellungen. Das Bild gehört daher stets zur Hälfte dem, der es gestaltet, und zur Hälfte dem, der es betrachtet. Um die Bilder wie auch immer deuten zu können, bedarf es der sinnenden Anschauung des Betrachters. Zusammen mit den Titeln, die der Künstler seinen Bildern gibt, wird sich das Kunstwerk auf die Art der Reaktion des Betrachters auswirken. Farben, Texturen, Formen und Gesten werden in dem Betrachter eigene Emotionen und Ideen auslösen. In unserer Zeit der Überhäufung mit visuellen Informationen ist es für mich wohltuend, dass Sven Olde auch um die ästhetische Bedeutung der Sparsamkeit in seinen Bildern weiß. Sparsamkeit als die Kunst des Weglassens. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und unterlässt alles, was das Bild aufbauscht, überlädt. Dadurch wird der Blick geschärft für die Dynamik des Farbauftrags mit Pinsel, Rakel, Sprühflasche oder der wischenden Hand auf den Malgrund, geschärft für die Bewegung des Farb- und Linienspiels, für das Auflösen und Umwandeln desselben in Energie.

Mein zweites Vergnügen – Mich in seine Texte zu vertiefen

Sprache / Text vergleiche ich gern mit einem textilen Gewebe. Die Sprache ist ein Geflecht aus Wörtern, die wir lernen, um Empfindungen und Wahrnehmungen in zwischenmenschliche Verständlichkeit zu übersetzen. Nicht nur Bilder sondern auch Wort-Geflechte enthüllen – wenn auch auf andere Weise – die wahre Energie, die im beschriebenen Zustand steckt.

Für Sven Olde sind seine Prosatexte Erzählungen. Erzählungen als Erkundungsreisen zu sich selbst. Wer gern wandert, weiß, dass kleine, unbekannte, wilde Wege zu gehen, das Leben zu einem kleinen Abenteuer machen können. Nicht weniger aufregend ist das Begehen des eigenen Lebensweges. Entscheide nach deinem Gefühl und deinen in dir schlummernden Potentialen und nicht nach der stärksten Beeinflussung von außen. Dies spiegelt sich in seinen Texten wieder. Sven Olde sagt, was er will, sagt, was er braucht, sagt, was ihn schmerzt, sagt, was ihm fehlt, sagt, was ihn erfreut. Er spricht es sich vom Herzen. Gibt seinen Gefühlen Worte. Dabei ist er sich der Macht des gesprochenen und des geschriebenen Wortes bewusst. Mit seinen Worten webt er den Teppich der Wirklichkeit, in der er lebt, und will uns sagen: Ich befinde mich in einem Netz von verschiedenen Lebensformen, die alle auf mich einwirken und auf die auch ich einwirke. In seiner klaren und feinsinnigen Sprache erreicht er den Leser und Hörer, zieht ihn zweifelsohne in seinen Bann.

Mein drittes Vergnügen – Sein Narratives Kunstobjekt zu sehen, zu lesen und haptisch zu fühlen

„In der Ferne die Möwen“ nennt Sven Olde sein Kunstobjekt, das er in der Galerie installiert hat. Bereits der Titel weist auf einen „Erkundungsgang“ hin: Die Möwe im Element Luft und Wasser zuhause, steht sinnbildlich für neue Wege und Impulse, wie du dein Leben so gestalten kannst, damit du dir und deinen Gefühlen und Bedürfnissen gerecht wirst. Die Ferne steht für Sehnsucht. Es handelt sich in diesem narrativen Kunstbuch um eine erzählerische und bildnerische Auseinandersetzung mit dem Leben als Reise verbunden mit einer unbewussten Sehnsucht. Die künstlerische Anforderung: Eine ästhetisch zufrieden stellende Balance zwischen Wort und Bild zu erreichen. Kein leichtes Unterfangen.

Der Künstler arbeitet mit den vorher beschriebenen Medien: Mit Bildern und Wörtern. Beide scheinen in ihrer Wesensart und in ihrer Erscheinungsform ganz unterschiedlich zu sein. Und ich hatte beide Medien bis dahin – wie ich vorher erwähnte – auch nur jedes für sich in Augenschein genommen und auf mich wirken lassen. Die Zusammenführung beider Medien in dem Kunst-Buch und die besondere Art der Umsetzung durch Sven Olde löste in mir ein Aha-Erlebnis aus, insofern die oben angesprochene Reihenfolge hier einen Höhepunkt erreicht.

Der Aufbau des Buches ist sorgfältig konzipiert. Von der ersten bis zur letzten Seite zieht sich ein Spannungsbogen – stets in der Absicht, das Verhältnis von Bildmacht der Sprache und Sprachhaftigkeit der Bilder zu hinterfragen. Olde gelingt es, Wort und Bild in Beziehung zu setzen, indem er beide in einer schwebenden Atmosphäre zueinander hält. Die mit den Worten bildhaft beschriebenen Erlebnisse der Hauptfigur spiegeln sich in den abstrakten Bildern atmosphärisch. Diese schwebende Atmosphäre gelingt dem Künstler durch bestimmte Platzierungen des Textes, durch Zwischeneinlagen unterschiedlicher Papiere mit von ihm verschieden gestalteten Tonwerten – von melancholischen schwarz-grauen bis zu hoffnungsvollen Pastelltönen), durch Graphiken und anderem mehr. Zusätzlich fügt er kleine Utensilien zwischen den Seiten ein – wie beiläufig, aber es vermittelt dem Leser: Ich kann es anfassen, ich bin dabei, ich bin mittendrin in dem Geschehen. Durch das gelungene Zusammenspiel von Schrift und Bild und dem haptischen Erlebnis der Papiere und der kleinen zusätzlichen Einleger schafft Sven Henric Olde etwas Neues: Ein erzählendes Kunstbuch.

Darüber hinaus macht er sein Kunstbuch für uns räumlich sicht- und erlebbar. Dabei hat er den Galerieraum zum Bestandteil seiner Kunst gemacht. Das eine ist vom anderen nicht zu trennen, es ist eine Einheit, die ganzheitlich vom Künstler gestaltet und ganzheitlich vom Betrachter erlebt werden soll. Der bequeme Sessel, der Spuren der Vergangenheit tragende Holztisch mit der Lampe laden zum Platz nehmen, zum es sich gemütlich machen, zur inneren Ruhe kommen, ein, um das Buch durchzublättern, zu lesen. Schweift das Auge des Betrachters dabei hin und wieder auf die Wandinstallation gegenüber mit den vielen sorgsam gehängten Bildern, wird er bemerken, dass der Künstler die emotionalen Erlebnisse der Hauptfigur in der Erzählung in ihren vielen Nuancen als Ganzes zusammengefügt hat. Die blauen Bilder der linken Wand wiederum weisen mit den Titeln „Warmer Meeresstrom“, „Frischer Blick“ und „Energiefluss“ bereits in die Richtung zur breiten Fensterfront. Diese sensibilisiert den Betrachter für Transparenz, für Durchblick. Die Hauptfigur scheint angekommen am blauen Meer und seinen Wellen, wie das Transparentbild andeutet. Angekommen? – fragen wir – oder um ihren Blick in die unendliche Weite, die sich vor ihr auftut, einzutauchen und innezuhalten, um nach geraumer Zeit ihren Lebensweg weiter zu erkunden?

Sven Henric Olde hat ein Arrangement kreiert, ein integrierendes, zusammenhaltendes, behutsam ausgedachtes Ganzes. Diese Bildergeschichte sollten Sie mit Aug und Ohr in ihren vielen Facetten wahrnehmen und genießen – und – da bin ich mir sicher – Sie werden sie lieben.

Malerei – Installation
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Vermittlung der Kunst und Ästhetik Japans